Mit dem Flammenwerfer gegen autonome Autos (Gastbeitrag)

Autonomous Driving
Autonomous Driving

Es ist einfach nur falsch Autos anzuzünden und doch hat sich der Gastkommetator mit einem „Flammenwerfer“ bewaffnet.

Aber anstatt gegen echte Autos vorzugehen, geht es darum falsche, irreführende oder unklare Konzepte niederzubrennen.

Autonomous Driving

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Dreht sich alles nur um Autos?

Zum Einstieg fackeln wir den Begriff “autonome Autos” ab. Diese Alliteration klingt zwar gut; in vielen Fällen wird aber der Fokus unnötigerweise verengt. An vielen Stellen gelten die Auswirkungen des autonomen Fahrens auch für Busse, Bahnen, Nutzfahrzeuge, Schiffe, Flugzeuge & co. Daher sprechen wir lieber öfters von “selbstfahrenden Fahrzeugen”. Wenn wir unseren Fokus weiten, sehen wir hoffentlich auch Fußgänger, Fahrradfahrer und öffentliche Verkehrsmittel, welche sich leider allzu oft im Toten Winkel der Diskussion befinden.

Wozu brauchen wir die Stufen des automatisierten Fahrens?

Wenn man ein Fahrzeug als “autonom” bezeichnet, ist es nicht eindeutig, was dieses Fahrzeug wirklich kann, beziehungsweise, wie hoch dessen Technologiereifegrad ist. Das liegt daran, dass sich Verbännde wie SAE und VDA fünf Stufen der Automation ausgedacht haben. Die damit verbundenen Begriffe wie “teilautomatisiert” (Stufe 2), “hochautomatisiert” (Stufe 3), “vollautomatisiert” (Stufe 4) stiften mehr Verwirrung, als dass sie nützen. Die ersten beiden Begriffe sind höchst nutzerfeindlich, da der Fahrer trotz Automation die volle Verantwortung hat, beziehungsweise die Verantwortung binnen Sekunden übertragen bekommt, sobald das Fahrzeug sich in einer brenzligen Lage befindet. Solche Fahrzeuge sind nicht autonom – sie sind fahrlässig. Statt autonome Fahrzeuge in Schubladen zu stecken, sollten wir die Hersteller fragen, was sie können:

  • Können sie bei Nacht/ Nebel/Regen/Schnee/Sandsturm fahren?
  • Können sie auf der Autobahn/Landstraße/in der Stadt fahren?
  • In welchen Ländern sie eine Zulassung?
  • Können sie sich gegenseitig vor Gefahren warnen? Und wenn ja, vor welchen?
  • Erkennen sie Baustellen und deren neue Fahrbahnmarkierungen?
  • Verstehen sie Handzeichen von Verkehrspolizisten?
  • Können Sie eigenständig parken/tanken/laden und dafür elektronisch bezahlen?

Killer-Ethik: Warum dreht sich die ethische Debatte nur um ein Thema?

Die ethische Diskussion autonomer Fahrzeuge ist viel zu oft blutig – und noch schlimmer: einseitig! Ausnahmslos werden Dilemmasituationen behandelt, bei denen der Autopilot zwischen Leben und Tod entscheiden muss. Diese Dilemmasituationen faszinieren intellektuell, stehen aber in starkem Kontrast zu:

  • dem Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Daher darf keine Maschine bei der Entscheidung um Leben und Tod Menschenleben einen Wert zuweisen und aufgrund Alter, Geschlecht, Hautfarbe oder anderen äußerlichen Unterscheidungsmerkmalen diskriminieren.
  • der pragmatischen Risikominimierung: Wie werden selbstfahrende Fahrzeuge so gestaltet, dass Dilemmasituationen gar nicht erst entstehen?
  • der Praxis: In der Produktentwicklung gibt es wirtschaftliche, technische und gesetzliche Anforderungen. Ethische Anforderungen sind bisher unbekannt. Welche Erkenntnisse aus der ethischen Debatte sollten Gesetz werden?
  • dem tatsächlichen ethischen Verhalten von Autokonzernen: Die Skandale der Automobilbranche stehen im starken Kontrast zum hohen Niveau der Ethikdebatte. Aufgrund dieser zahlreichen moralischen Verfehlungen, sollten wir aber nicht unsere Standards senken – vielmehr sollten wir jetzt erst recht möglichst viele ethische Forderungen an alle Beteiligten stellen.

Aus der Asche der einseitigen „Killerethik“, sollen viele neue ethische Diskussionen entstehen, wie zum Beispiel: Autonomes Fahren bedeutet, dass der Mensch das Steuer an die Maschine abgibt. Das weckt bei Dritten das Bedürfnis in die Fahrt einzugreifen. Unter welchen Umständen darf die Polizei virtuelle Straßensperren errichten und Autopiloten daran hindern eine Straße zu befahren? Darf sie bei einer Verfolgungsjagt ein autonomes Fluchtfahrzeug aus der Ferne ausbremsen?

Welche Daten dürfen Fahrzeughersteller erheben? Soll es ihnen erlaubt sein ihre Fahrzeuge mit zusätzlicher Sensorik bestücken, die zum autonomen Fahren nicht gebraucht werden, nur um Informationen zu sammeln? Dürfen sie bei Leerfahrten die Route und die Fahrweise des Autopiloten beeinflussen, um gezielt Daten zu erheben? Welche Kontrolle müssen die Hersteller dem Fahrzeugbesitzer über die gesammelten Informationen geben? Dürfen Autohersteller, die Route so beeinflussen, dass das Auto an Geschäften und Plakaten von Werbepartnern vorbei fährt? Welche Rechte müssen die Hersteller freien Werkstätten einräumen? Welche neuen Rechte haben haben Passagiere von autonomen Autos? Und wie reagieren wir als Gesellschaft auf den Verlust von Arbeitsplätzen durch Automation?

Wann kommen selbstfahrende Autos auf unsere Straßen?

Die Technikfolgen des autonomen Fahrens sind gewaltig. Deswegen ist die Frage „Wann gibt es selbstfahrende Autos in unserem Alltag?“ so brennend. Diese Frage brennt aber auch, weil ein Flammenwerfer auf sie gerichtet ist. Das liegt wiederum daran, dass niemand die genaue Antwort kennt und jede Antwort darauf spekulativ ist. Fragen wir lieber danach, welche technischen und rechtlichen Hürden noch überwunden werden müssen, um autonome Kraftfahrzeuge auf unsere Straßen zu bringen. Wie robust ist deren Wahrnehmung bei Schnee? Welche Maßnahmen werden ergriffen, um Autopiloten vor Cyberangriffen zu schützen? Welche Bedingungen muss ein selbstfahrendes Fahrzeug erfüllen, um eine Straßenzulassung zu erhalten?

Was wir vielleicht eher einschätzen können, sind Zeitfaktoren, die das Wachstum autonomer Fahrzeuge beschränken. Die durchschnittliche Lebensdauer eines Pkw liegt etwa bei 18 Jahren. (statista) Wenn selbstfahrende Autos da sind, können wir davon ausgehen, dass die Mehrheit der Autofahrer erst dann autonomes Fahren in Erwägung ziehen, wenn ihr Auto das Lebensende erreicht. Dementsprechend dauert es etwa die Hälfte der Lebensdauer eines Pkw, bis autonomes Carsharing die Hälfte aller Fahrer erreicht.

Abschluss

Die Diskussion rund um die Mobilität der Zukunft soll uns inspirieren. Es geht um die neuen Möglichkeiten, die entstehen, wenn unsere Verkehrsmittel elektrisch, geteilt, vernetzt und autonom werden. Die Diskussion soll uns berühren: Es geht um unsere Gesellschaft, unsere Arbeit und unser Leben. Idealerweise ermächtigt es uns die Zukunft zu gestalten und die Angst vor der Zukunft abzulegen. Auch wenn irgendwo ein verwirrter Gastkommentator mit Flammenwerfer herum springt. 😉

 

Johannes Ritz

Johannes Ritz ist Softwareentwickler für eingebettet Systeme und hat Erfahrung als Entwicklungsingenieur für Elektronik. Zudem ist er Autor des Buchs "Mobilitätswende - autonome Autos erobern unsere Straßen".

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