Ethik beim Autonomen Fahren | P. Lin

Ethik beim Autonomen Fahren | P. Lin

Das Kapitel des Forschers Patrick Lin im Weißbuch der Villa Ladenburg handelt von der Ethik bei Autonomen Fahrzeugen.

Das englische Kapitel des Weißbuchs mit dem Originaltitel “Why Ehtics matters for Autonomous Cars” geht ebenfalls davon aus, dass das Autonome Fahren so fähig ist, wie ein Mensch, respektive besser. Viele Ingenieursleute sehen in der Programmierung keinen Platz für Ethik, es ist eine rein logische Aneinanderreihung von Abläufen in der Software. Der Forscher Patrick Lin der California Polytechnic State University glaubt, dass Ethik sehr wohl Teil der Programmierung sein sollte.

Weissbuch Autonomes Fahren

Zu Beginn kommt das altbekannte Dilemma: Man nehme an ein Auto muss ausweichen oder es überfährt beide Personen. Es kann aber auch Ausweichen und damit entweder ein acht Jahre junges Mädchen oder eine 80jährigen Oma erwischen. Zugegeben, ein Szenario dass sich nur sehr selten ereignen würde. Jetzt hat man das Gefühl, das junge Mädchen hätte mehr Recht zu überleben. Die alte Frau hatte ein Leben und Kinder haben es noch vor sich, zudem besticht die Situation durch die Unschuldigkeit von Kindern.

Doch gibt es einen Code der Ethik für elektrische und elektronische Ingenieurskunst (IEEE). Darin heißt es, dass niemand auf Grund seiner Ethnie, Geschlecht und dererlei mehr diskriminiert werden darf – auch das Alter ist ein solcher Faktor. Es wäre also ethisch falsch, weil diskriminierend, die Oma zu überfahren! Am Beispiel Deutschland, erläutert er, steht im Grundgesetz, dass die Würde und das Leben unantastbar sind. Auch in anderen Staaten stünde es im Konflikt zu übergeordneten Gesetzen. Selbst wenn das Szenario dahingehend mit einer Menschenmenge gegenüber einem Einzelnen ändern.

Wäre eine willkürliche und unvorhersehbare Streckenführung ohne der Diskriminierung eine Lösung? Oder vielleicht gäbe es ja Kriterien, welche andere Menschen besonders schützenswert macht? Klar ist, dass Dilemma ist nicht einfach zu lösen und zeigt für Herrn Lin, dass es die Ethik in der Programmierung braucht. Vielleicht, so mein Gedanke, ist ja gerade das Fehlen der Ethik, ein zutiefst ethisches Verfahren?

Zugegeben, so führt er aus, seien die Szenarien unwahrscheinlich. Oftmals äußern sich Expertisen dazu, dass solche Fahrzeuge erst gar nicht in solche Situationen kommen. Jedoch sei das Bremsen und die Kontrollabgabe nicht genug. Mag die Technik auch fortschreiten, so bedürfe es mehr Aktionsmöglichkeiten. Schon das Bremsen kann auf verschmutzten Straßen zu Problemen führen oder ein drängelnder Hinterwagen. Lohnt es sich zu bremsen? Dabei muss das Auto auch kleine Hindernisse vorne erkennen, was derzeit noch nicht funktioniert. Kleine Objekte so groß wie ein Eichhörnchen kann das Fahrzeug derzeit nicht erkennen. Derart könnte das Fahrzeug entscheiden, ob es weiterfahren soll oder nicht. Vor einiger Zeit hat eine Ente ein Google Auto aus dem Konzept gebracht, weil das Auto womöglich einen anderen Vogel identifizierte.

Jetzt muss der Mensch eingreifen, doch braucht man Zeit für die Übernahme der Fahrzeugkontrolle. Das mögen Sekunden sein, aber das ist entscheidend. In dieser Zeit, wo der Mensch noch nicht die Kontrolle übernommen hat, muss das Fahrzeug Entscheidungen treffen. Was wenn das Fahrzeug die Übergabe eingeleitet hat, weil es nicht mehr weiter weiß? Nach seiner Ansicht werden auch bei Roboterautos Unfälle möglich sein und darauf sollte man sich einrichten. Und damit verweist er auf das Dilemma des Mädchens und der Oma.

Die Optimierung von Crashs wäre ein bewusstes Treffen eines ausgewählten Objekts. Je nach dem, wem der Schutz gilt, könnte auch überlegt werden, welcher Aufprall weniger Schaden verursacht. Steht zur Auswahl ein leichtes oder ein schweres Auto? Oder wenn es andere schützen soll, sollte es einen schweren Wagen aussuchen.

Sollte die Car2Car Kommunikation funktionieren, oder vielleicht auch durch die Fahrzeug eigene Sensorik, könnte das Auto (also der Algorithmus) den Wagen auswählen, der am Meisten “aushält”.

Man könnte auch überlegen, dass ein Kunde beim Kauf unterschreibt, den Schaden im Zweifelsfall auf sich zu lenken, zumindest bei schwachen Verkehrsteilnehmenden, wie Radfahrende. Damit müsste man einen Target Algorithmus in die Programmierung einfließen lassen. Hierbei denke ich, dass es auch die Geschwindigkeit ausmacht. So kann man bei einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h wohl immer rechtzeitig bremsen.

Lin spinnt die Idee des Unfallszenarios weiter. Statt Mädchen und Oma stehen nun dort Motoradfahrende – einmal mit und einmal ohne Helm. Die Person mit Helm überlebt mit höherer Wahrscheinlichkeit und es scheint klar. Doch würden dann viele Menschen nicht ohne Helm fahren, um nicht Ziel autonomer Fahrzeuge zu werden? Oder würden Menschen ein Auto kaufen, wenn sie entscheiden müssten, ob sie sich oder lieber andere bei einem derartigen Unfall mit einem autonomen Fahrzeug verletzen würden wollen?

Die Programmierung könnten vielleicht für Hersteller auch Kostenrechnungen erstellen. Dabei bedarf es Algorithmen, welche Daten auswählen und berechnen, um das Szenario mit den geringsten Kosten herauszufinden.

Darüber hinaus gibt er weitere Szenarien vor, die Ethik im Auto diskussionsfähig machen. Da wäre der Wildwechsel. Da der Mensch zu kurz in der Reaktionszeit ist, könnte das Auto bereits agieren. Doch wie?

Dabei stellen sich einige Fragen.  Reicht die Bremsstrecke aus? Weich oder hart bremsen? Was ist wenn ein Wagen hinter mir ist, was ist wenn es ein Lkw ist? – vor allem im Hinblick auf einen Auffahrunfall? Die Szenarien nehmen eine totale Vernetzung voraus.

Was ist das Hindernis? Ein Mensch? Ein Tier? Und wenn es ein Tier ist, ist es ein kleines Tier oder eine beispielsweise eine Kuh, was mehr Schaden verursachen würde. Was ist bei Haustieren? Wenn das Auto ausweichen soll, soll es links oder rechts herum fahren? In vielen Ländern gibt es ein Linksfahrgebot. Auch die Frage der Insassen – wenn es zwei Eltern mit Kindern sind?

Für den Fall es Ausweichens stellt sich die Frage des Gegenverkehrs, wieder die Auswahl zwischen leichten und schweren Fahrzeugen. Man könnte die Anzahl der betroffenen Personen minimieren oder Kinder vermeiden. Sind die Personen angeschnallt? Wobei die heutige Technologie hier schon gute Sensorik zur Verfügung hat, um den Verkehr zu erkennen. Außerdem, so meine Meinung, geht er ja von einer vernetzten Welt aus, dann wüsste das Auto wohl auch vom Gegenverkehr.

Weitere,  zu berücksichtigende, Faktoren sind gefährliche Ladungen oder die Präferenz bei Gebäuden (Krankenhäuser). Letztlich müssen die Menschen sich auf gewisse Faktoren einigen, vielleicht bei Gewicht und Kosten. Der Rahmen dafür muss gegeben sein, sonst würden die Entwicklungen der Gesellschaft nicht gerecht. Schließlich entscheidet die Programmierung über Leben und Tod und eine Affekthandlung ist ausgeschlossen bei einem Autonomen Fahrzeug.

Über einige Seiten geht er auf die Konsequenzialisten ein, man könnte es auch mit den Pragmatikern in der Philosophie vergleichen. Danach gilt es immer so zu handeln, dass am der geringste Schaden entsteht. Dabei könnte aber auch der berechnende Wagen bei der Gleichnis rausfallen und fährt statt auf einen Bus voller Nonnen, den Abhang hinunter. Letztlich geht er noch auf das Trolley Dilemma ein.

Nur kurz beschreibt er weitere Implikationen wie gesetzliche und moralische Verantwortungen und die Versicherungswirtschaft, sowie das Hacking und die Kompatibilität zwischen den Fahrzeugen.

Aus all den genannten Gründen fordert er einen gesellschaftlichen Diskurs über die Ethik beim Autonomen Fahren.

David Fluhr

Ich schreibe seit 2011 über das Thema Autonomes & Vernetztes Fahren. Ich habe Sozialwissenschaften an der HU Berlin studiert und bin seit 2012 selbstständiger Journalist. Kontakt: mail@autonomes-fahren.de

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